Das Verteilnetz der Zukunft

Der Klimawandel fordert von uns allen höchste Priorität und Handeln. Der Strombereich erhielt mit der Energiestrategie 2050 des Bundes besondere Beachtung und Förderung. Die Umstellung auf eine erneuerbare Strom-Welt ist in vollem Gange:
  • Zubau von Photovoltaik und Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV)
  • Einführung von intelligenten Mess- und Steuersystemen (Smart Metering und Smart Grid)
  • Umstellung auf elektrische Mobilität (E-Mobility)
Für Verteilnetzbetreiber ist diese Umstellung eine riesige Herausforderung.

Man stelle sich das Stromnetz als das Blutadern-System im menschlichen Körper vor. Das zentrale Herz pumpt dauernd frisches Blut über Blutbahnen bis zu jeder einzelnen Zelle des Körpers, jede Sekunde, ohne Unterbruch. Nur so bleibt der Mensch am Leben. Das Adernsystem ist auf die Funktion des Körpers ausgelegt, grosse Arterien und Venen führen das Blut vom Herzen in die Peripherie und zurück, dort verästelt sich das Adernnetz zu immer kleineren Leitungen bis hinunter zu den kleinsten Kapillaren. Ähnlich ist das Stromsystem aufgebaut und entstanden, über eine 150jährige Evolution aus dem Zusammenschluss einzelner Zellen zum heutigen Europäischen Verbundnetz.

Nun ist das Herz krank. Um das System Mensch nachhaltig am Leben zu halten muss es ersetzt werden durch viele erneuerbare Herzen, die überall im Körper verteilt sind, grössere und kleinere. Irgendwo pumpt dauernd das eine oder andere Herz, aber ist es genug für den ganzen Körper? Und erreicht das Blut die Zellen, die es gerade am nötigsten brauchen? Hinzu kommt noch, dass der Körper jetzt neue, leistungsstarke Muskeln erhält in Form von Elektroladestationen und anderen neuen Anwendungen.

Wer würde diese Operation bei sich ergehen lassen, freiwillig? Eine Operation die noch nie jemand durchgeführt hat?

Die Operation ist nötig, keine Diskussion. Es ist eine von vielen Massnahmen um das System Erde für uns Menschen zu retten. Wir brauchen in Zukunft ein erneuerbares System. Bund und Öffentlichkeit erwarten jedoch, dass die Verteilnetzbetreiber das System Verteilnetz trotz dieser riesigen Umstellungen am Leben halten, ohne dass der Patient, die Stromkunden, etwas davon merken noch etwas dafür tun müssen. Auf Risiken und Nebenwirkungen wird nicht hingewiesen, schon gar nicht auf allfällige Einschränkungen nach der Operation. Auch darf die Operation fast nichts kosten, dafür soll eine strenge Regulierung sorgen.

Die Erwartungen an die Verteilnetzbetreiber sind rieisig:
  • Sicherstellung Versorgungssicherheit und Funktion des Systems - jederzeit und trotz kompletter Funktionsumstellung.
  • Effizientes Netz: Um- und Ausbau der Netze darf nicht viel kosten.
  • Strommarktöffnung und Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch ermöglichen: Kunden sollen trotz dringlicher "Operation" freimarktwirtschaftlich und im Eigeninteresse handeln können oder gar mit der Energiewende Profit erzielen können.
  • Neue Anwendungen integrieren: neben den dezentralen Einspeisungen kommen neue Anwendungen wie die Elektromobilität mit sehr hohen Leistungen ins System, auch dezentral und verteilt, d.h. oft an den kleinsten Kapillaren angeschlossen.
Die Operation Verteilnetz ist in vollem Gange. Um sie zum Gelingen zu bringen braucht es vor allem Bewusstsein und Mitwirkung aller Betroffenen:
  • Experten und Fachwissen: von den Erfahrungen anderer Netzbetreiber profitieren können, d.h. auch ganz unterschiedliche Experten in diesem Bereich kennen und wissen wo welche Erfahrungen gemacht wurden...
  • Aufklären, den Patienten bzw. den Stromkunden in die Operation mit einbeziehen, er muss sich der Risiken und Nebenwirkungen bewusst sein, er muss aktiv und willentlich mitmachen, dafür braucht es Kommunikationsstärke und Überzeugungskraft...
  • Innovation und den Willen, diese einzusetzen. Für eine solche Umstellung muss man auch den Mut zu Neuem haben, zum Beispiel zur Digitalisierung und zu neuen Tarifmodellen, welche den Netznutzern Anreize und Möglichkeiten für ein verändertes Verbrauchsverhalten geben.
  • Zusammenarbiet mit der Politik, Rahmenbedingungen wenn nötig anpassen, so dass dem Chirurgen nicht die Hände durch Gesetze gebunden werden.
Der Bund ist sich der Herausforderungen bewusst und hat dazu eigens eine Strategie Stromnetze beschlossen.

Gefordert sind alle Beteiligten, Verteilnetzbetreiber, Fachverbände und -vereine, die Politik und auch die Lehre und Bildung. Doch die Zusammenarbeit muss aktiv getrieben und im Sinne der Zielführung geleitet werden.
Wir wissen wie...